Traumspuren

Stell dir vor, jemand versucht, dir etwas zu erzählen. Aber du hörst nicht hin. Vielleicht, weil der- oder diejenige eine Sprache spricht, die für dich nach wirrem Kauderwelsch klingt. Oder weil er oder sie dir unangenehm, ja sogar unheimlich ist. Lieber drehst du dich weg und ignorierst, dass da jemand den Kontakt sucht. Eventuell verliert dein Gegenüber ja dann die Lust auf eine Unterhaltung. Wenn das, was es mitzuteilen gibt, allerdings von immenser Bedeutung ist, wird dein Gegenüber vermutlich zu drastischeren Mitteln greifen: laute Schreie, wilde Gebärden, Handgreiflichkeiten. Vielleicht bedroht er dich sogar, damit du endlich zuhörst. Ein Albtraum!
Besser, wir schenken dem Traum unsere Aufmerksamkeit, bevor es zu bedrohlich wird. Denn der Traum ist die Sprache, in der das Unbewusste mit dem Bewusstsein spricht. Wer diese seltsame Sprache aus wirren Bildern verstehen lernen will, muss sich zunächst mal erinnern. Dafür gibt es diverse Techniken, angefangen von Zettel und Bleistift am Nachtkästchen bis hin zu einer Morgenmeditation.

Die Sprache des Traumes ist selten die, die wir in wachem Zustand sprechen. Vielmehr besteht sie aus Symbolen und Emotionen. Eine Art Universalsprache, könnte man nun denken – deshalb sind die Regale in den Buchhandlungen auch voll von Traumdeutungsbüchern mit Symbolen von A bis Z. Doch die Bilder sind individuell. Sie haben von Mensch zu Mensch mehr oder weniger unterschiedliche Bedeutungen. Das Vokabelheft mit Traumsymbolen kann nur jeder für sich selbst füllen.

Bei der Traumarbeit geht es vor allem darum, die richtigen Fragen zu stellen. Das Koyote-Teaching, die Kunst des Fragenstellens aus der Wildnispädagogik, ist eine gute Technik hierfür. Manchmal hilft auch das Vergessen: Denn nur das, was für unsere derzeitige Entwicklung wichtig ist, hält das Gehirn für erinnernswert. Alles andere wird ausgesiebt – fürs Erste.

Sobald der Prozess des Erinnerns und Verstehens eingeleitet ist, beginnt die Traumwelt einen ersten zarten Dialog mit unserem Bewusstsein. Sie reagiert auf den Alltag, bezieht sich auf ihn, greift Elemente heraus. Aber Vorsicht bei der Deutung: Alles, was wir im Traum sehen, ist ein Symbol für einen Anteil in uns selbst.
Die Träume reagieren auf unsere Aufmerksamkeit. Und ebenso beginnt sich auch die Sicht auf den Alltag durch den bewussten Umgang mit Träumen zu ändern. Die nächste Stufe ist die des luziden Träumens. Das bedeutet: Ich bin mir während des Träumens bewusst, dass ich träume. Ich kann lenkend eingreifen: entweder indem ich die Traumwelt verlasse oder indem ich bewusst den Fortgang des Traumes beeinflusse. Ein Übergang zu dieser Stufe kann die Praktik sein, den Traum nach dem Aufwachen – quasi als Tagtraum – zu einem guten Ende zu träumen.